Internationaler Hebammentag – Interview mit Hebamme Sissi Rasche

Zum diesjährigen internationalen Hebammentag haben wir mit Sissi, die in Berlin als Hebamme tätig ist und gemeinsam mit ihrer Geschäftspartnerin Marina die Babybox leitet, über den spannenden Beruf der Hebamme gesprochen und durften einen Einblick in diesen tollen Berufszweig erhalten.


Foto: Cindy und Kay Fotografie

Liebe Sissi, du hast den wunderschönen Beruf der Hebamme gewählt, der leider momentan etwas in der Krise steckt. Was bringt dich dennoch dazu, diesen Beruf weiterhin mit Leidenschaft auszuüben?

Ich habe in meinem Job schon viele Krisen erlebt, deshalb hat diese Krise mich nicht umgehauen und wird uns auch nicht umhauen. Denn wenn man einen sozialen Beruf ausübt, dann macht man das sowieso aus voller Überzeugung, weil der Beruf der Hebamme oder andere soziale Berufe, wie Erzieherin oder Krankenpfleger, viel zu wenig Anerkennung und Verdienst bekommen. Von daher ist das wirklich aus purer Überzeugung und Leidenschaft und ich mache diesen Beruf deshalb jeden Tag auch weiterhin gerne und werde ihn bis an mein Lebensende machen.

In Amerika beispielsweise gibt es deswegen den Trend zur „Doula“, einer Person, die Mütter sowohl während als auch nach der Schwangerschaft seelisch betreut.  In Deutschland übernehmen Hebammen sowohl die gesundheitliche als auch oft die seelische Betreuung. Hast du das Gefühl, dass die Unsicherheit bei Frauen wächst was die Themen Schwangerschaft & Muttersein angeht? 

Auf jeden Fall merke ich große Unsicherheiten. Die Doula ersetzt keine Hebamme, das ist ganz wichtig. Das Problem ist einfach, dass es in Amerika keine Hebammen, so wie wir es kennen, gibt. Es wird ja auch nicht von der Krankenkasse bezahlt, das sind alles private Leistungen und da haben wir in Deutschland ein super Versorgungssystem.

Das heißt, dass dir in Deutschland eine Hebamme in der Schwangerschaft, im Wochenbett und zum Teil auch unter der Geburt, von der Krankenkasse bezahlt wird. Die 1 zu 1 Betreuung und die Rufbereitschaft nicht, das ist eine Eigenleistung, aber ansonsten wird der komplette Teil übernommen und das ist ja wirklich Wahnsinn. Aber wenn man gar keine Hebamme hat, und das wird bei uns in Deutschland ja auch immer schwieriger, weil es nicht mehr so viele Hebammen gibt die freiberuflich arbeiten, sind natürlich Doulas eine Alternative, um überhaupt einen Ansprechpartner zu haben. Und da ist diese Arbeit sehr wertvoll, aber sie ersetzt nicht den medizinischen Teil, den eine Hebamme macht. Die Kontrolle der Rückbildung, die Hilfeleistung beim Stillen oder zu erkennen, wenn es Pathologien gibt.

Eine Doula ist eine rein mentale Unterstützung. Also sie massiert die Frauen, baut sie auf und versorgt sie im Wochenbett, indem sie die Frau bekocht oder das Baby übernimmt. Das ist ja Aufgabe der Doula, aber in keinster Weise ist das mit der Arbeit der Hebamme gleichzustellen. Gerade die Medien sorgen immer für eine große Unsicherheit bei Frauen, weil Frauen gerade im Wochenbett sehr vereinsamt sind und sich meistens größtenteils über das Internet informieren. Nicht über das Dorf wie es früher war und dadurch merke ich natürlich schon, dass eine große Unsicherheit und auch Einsamkeit herrscht.

Warum meinst du ist das so?

Erstmal, weil nicht jede Frau mehr eine betreuende Hebamme hat und dadurch optimal versorgt ist und wenn man das nicht hat, dann holt man sich natürlich tausend Meinungen ein. Wie wir alle wissen gibt es nicht nur den eigenen Weg, man hat dann tausende von Meinungen und jeder meint sein Weg ist der Richtige und das verunsichert. Vor allen Dingen, wenn man psychisch nicht wirklich sehr gestärkt ist, dann denkt man man hat etwas falsch gemacht. Also das sich Frauen durch die Aussagen in ihrem Bekanntenkreis und Medien verunsichern lassen und ihren Weg, den sie bereits gegangen sind, hinterfragen. Obwohl es sich in dem Moment richtig angefühlt hat und das Baby sich wohlgefühlt hat.

Ich versuche Frauen darin zu stärken wieder auf ihre Intuition zu hören und ihnen zu vermitteln, dass kein anderer Mensch es besser machen kann als sie, denn sie sind die Mutter und sie haben die Anleitung. Meine Aufgabe als Hebamme ist es ihnen verschiedenes Handwerk an die Hand zu geben, um damit zu arbeiten. Aber sie müssen ausprobieren in welcher Kombination. Ob sie alles davon benutzen was ich ihnen gebe oder nur eine Sache. Sodass sie dann ihr eigenes Werkzeug entwickeln und damit täglich arbeiten.

Ich versuche Frauen darin zu stärken wieder auf ihre Intuition zu hören und ihnen zu vermitteln, dass kein anderer Mensch es besser machen kann als sie, denn sie sind die Mutter und sie haben die Anleitung.

– SISSI RASCHE, HEBAMME

In Zeiten der Selbstoptimierung & dem Drang nach Perfektionismus ist leider auch die Schwangerschaft und das Muttersein nicht mehr sicher. Geplanter Kaiserschnitt, perfekter Post-Baby Bod in wenigen Monaten und eine Stilloptimierung per App – das alles ist nur ein kleiner Ausschnitt was zumindest mir momentan in den Medien & im Freundeskreis vorgelebt wird. Wie stehst du zu dieser Entwicklung & wie siehst du deine Rolle in dieser Zeit?

Da war heute wirklich den ganzen Tag ein unglaublich toller Post bei der Zeit:

„Frauen wollen anderen Frauen nicht beim Perfektsein zuschauen. Wir wollen Frauen sehen, die wie wir sind! Die versuchen, die Dinge richtig zu machen, dabei aber ständig etwas vermasseln und gegen ihre inneren Dämonen ankämpfen.“ ZEITMAGAZIN

Ich finde das ist ein sehr gelungener Spruch, weil das ist das Problem an der Welt über Instagram, wo alles immer so super schön aussieht. That is not the real world. Und man kennt es ja selber, man will sich natürlich auch immer in das schönste Licht stellen und ich habe das auch diese Woche mit Freunden besprochen. Dass das, was wir uns täglich angucken, die super schönen aufgeräumten Kinderzimmern, nicht das normale Leben ist. Es ist oft unaufgeräumt, wenn man morgens schnell die Wohnung verlässt und da steht noch das Geschirr, das postet natürlich keiner.

Das wäre natürlich eigentlich gut, wenn wir uns da mehr Realität zeigen und zugeben, dass es halt einfach alles ganz schön viel ist. Schöne Fotos sind toll und das ist wichtig. Soll man auch immer zeigen, aber es ist genauso wichtig, dass man auch das echte Leben zeigt. Deshalb sind für mich solche Accounts, bei denen immer alles perfekt ist, wo ich mir denke ja das kann ich auch, wenn ich mir einen Fotografen hole und alles perfekt abbilden lasse. Das ist nicht meins, aber es zwingt mich ja keiner das anzugucken. Es kann jeder machen wie er will. Ich versuche auch in meiner Rolle, die ich auf Social Media habe zu zeigen, dass ich nicht perfekt bin und nicht immer nur die schönsten Bilder habe, sondern so wie das wahre Leben spielt und das finde ich auch echt wichtig.

Ein viel zitierter Spruch, es benötige ein Dorf, um ein Kind großzuziehen finde ich persönlich immer noch sehr schön. Viele meiner Freundinnen werden zum ersten Mal schwanger & ich möchte gerne helfen. Was kann ich während oder nach der Schwangerschaft tun, um meine Freundin zu unterstützen?

Ja, das finde ich total wichtig. Und was man machen kann, um Freundinnen zu unterstützen ist, ihnen Zeit geben nach der Geburt, denn Besuch ist erstmal immer schwierig. Aber vielleicht einfach fragen „Soll ich für euch einkaufen? Soll ich den Einkauf vor eure Tür stellen?“ „Kann ich was kochen?“ Vielleicht auch das ältere Geschwisterkind von der Kita abholen und zum Spielplatz gehen, sodass die Freundinnen auch Zeit zu dritt mit dem Partner und dem Baby verbringen können.

Also einfach diese Unterstützung im Haushalt und die Versorgung von Essen und das auch, wenn das Kind schon 6 Wochen alt ist, weil dann gehen die meisten wieder back to normal. Der erste Zauber ist vorbei und dann kommt der große Alltag. Viele Mütter haben dann nichts gegessen und zu fragen, ob man was kochen kann ist eine große Unterstützung. Also sollte man gucken wie man das Dorf unterstützen kann.

Vielen Dank für das schöne Interview liebe Sissi!


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